Mit seinem großen Villen, Chalets im alpinen-Stil, Blick aufs Wasser und gepflasterten Straßen, Klein Glienicke ist ein charmantes Dorf, das bei Tagesausflüglern beliebt ist. Aber diese idyllische Siedlung an der Potsdamer Grenze war 28 Jahre lang eine von West-Berlin durch die Berliner Mauer abgetrennte und nur mit Sondergenehmigung zugängliche ostdeutsche Enklave.
Die Eigenheiten der geographischen Grenzen von Klein Glienicke besiegelten das Schicksal des Dorfes als Enklave, als die Deutsche Demokratische Republik am 7. Oktober 1949 gegründet wurde. Die ersten Zäune und Stacheldraht erschienen in den 1950er Jahren, aber diese neuen Grenzbefestigungen waren weitestgehend symbolisch – ein Signal an den Westen, dass dies ein ostdeutsches Gebiet war. Obwohl streng genommen nicht erlaubt, hüpften die Bewohner einfach über die Barrieren, wann immer sie wollten.
Das Leben in Klein Glienicke und die Freiheit zu kommen und zu gehen, hat sich am 13. August 1961 drastisch geändert, als die DDR-Regierung ihre antifaschistische Schutzmauer, oder was allgemein als die Berliner Mauer bezeichnet wird, errichtete. Über Nacht wurden die Grenzen befestigt und zum ersten Mal wurde die Bewohner daran gehindert, das Wasser des Teltowkanals zu erreichen.
Fast vollständig von der Mauer umgeben, war Klein Glienicke nur noch über eine schmale Brücke über das Wasser zwischen Glienicker See und Griebnitzsee in der Nähe der Glienicker Brücke – später bekannt als die Agentenbrücke – erreichbar. Die Straßenüberquerung vom Park Babelsberg wurde streng kontrolliert – im Laufe der Zeit blockierte ein Schlagbaum die Straße, der nur von den Grenzkontrolltruppen, die in einem Wachturm am Rand der Brücke stationiert waren, angehoben wurde, nachdem die Papiere untersucht worden waren. Das Dorf galt als Sondersicherheitszone. Nur die ungefähr 500 Einwohner und diejenigen mit einem Sonderpassierschein durften passieren.
Im Jahr 1965 wurden hier die ersten Betonmauern errichtet, die einige der Zäune und Stacheldrähte an der engsten Stelle der DDR – manchmal nur 15 m von Mauer zu Mauer – ersetzten. Durch seine markante Form erhielt Klein Glienicke den Spitznamen „Blinddarm der DDR“.
Im Jahr 1982 wurde sogar die Brücke „eingemauert“, um zu verhindern, dass potentielle Flüchtlinge auf ein drunter durchfahrendes Boot springen, als der Teltowkanal für den Wasserverkehr aus dem Westen wieder geöffnet wurde.
Wenn man heute in Klein Glienicke bummelt, ist es schwer vorstellbar, wie bedrückend all der Beton um einen herum war, eine Sensation, die für manche Bewohner zu psychischen Problemen führte. Gitta Heinrich, eine ehemalige Schullehrerin, die in Klein Glienicke aufwuchs und wohnte, bis sie 1980 in das benachbarte Babelsberg umzog, wurde mit Mauerkrankheit diagnostiziert.
Der Zustand wurde zuerst von Dr. Dietfried Müller-Hegemann, einem angesehenen Spezialisten für Psychiatrie und Neurologie, während seiner Zeit in einem Ostberliner Krankenhaus identifiziert. Dr. Müller-Hegemann, der von 1965 bis zu seiner eigenen Flucht in den Westen im Jahr 1971, Direktor des psychiatrischen Fachkrankenhauses Wilhelm Griesinger war, beobachtete in dem 1.600-Betten-Krankenhaus mindestens 100 Fälle. 1973 veröffentlichte er Die Berliner Mauer-Krankheit, in der er 37 detaillierte Fallstudien zu Patienten mit einer Reihe von Symptomen, darunter schwere Klaustrophobie, Depression, Verfolgungs-Komplexe, Alkoholismus und Selbstmordversuche, wegen der „sehr deprimierenden Lebenssituation nach dem 13. August 1961”, präsentierte.
Neben dem engen Bewegungsradius, wurden die Bewohner von Klein Glienicke regelmäßigen Besuchen von Grenzwächtern unterzogen, die zu jeder Zeit, Tag und Nacht, kamen um Keller zu untersuchen und sicherzustellen, dass Leitern sicher verschlossen waren. Trotz dieser regelmäßigen Kontrollen gab es einige bemerkenswerte Fluchten.
Im Mai 1965 entwaffneten zwei der drei Arbeiter, die auf dem Dach der Kapelle und des Pfarrhauses beschäftigt waren den Wächter, der über sie bewachte, kletterten eine Leiter über die Mauer und entkamen in den Wald in Zehlendorf. Im Juli 1973 krabbelten zwei Brüder, ihre Frauen und fünf Kinder durch einen 19m langen Tunnel aus dem Keller des Hauses Waldmüllerstraße 1 in das Gelände des Jagdschlosses Glienicke und flohen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer waren sowohl Ostdeutsche aus Potsdam als auch Westberliner daran interessiert, sich den Blinddarm der DDR anzuschauen, neugierig auf das seit vielen Jahren ummauerte Dorf. Dank der vielen charmanten Merkmale – wie die Schweizer Häuser (leider nur 4 der 10 Häuser, die von Prinz Charles von Preußen zwischen 1863 und 1867 gebaut wurden überlebten den Kalten Krieg), Teil des UNESCO-Welterbe Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin seit 1990 – Klein Glienicke ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt.
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